Mittwoch, 25. November 2009

Prozessreife bestimmen mit dem "Process and Enterprise Maturity Model"

Anders als gemeinhin angenommen, ist es bei Geschäftsprozessen nicht damit getan, die Arbeitsabläufe neu zu ordnen und festzulegen, wer was an welchem Standort in welcher Reihenfolge zu tun hat. Soll der Prozess funktionieren, müssen Unternehmen die Aufgabenbereiche umfassender definieren, Schulungen anbieten und den ausführenden Mitarbeitern die nötige Entscheidungsfreiheit einräumen. Das Unternehmen muss dafür sorgen, dass Teamwork, und die Kundenorientierung zu zentralen Elementen der Unternehmenskultur werden.



Ein Modell, das diese Umstände untersucht, ist das „Process and Enterprise Maturity Model“ (PEMM) von Harvard Professor Michael Hammer. Das Modell unterstützt Manager dabei, Prozessveränderungen zu verstehen, zu planen und zu bewerten. Mit Hilfe des PEMM Fragebogens kann der Prozessreifegrad eines einzelnen Prozesses oder des ganzen Unternehmens ermittelt werden.
Wie nützlich das PEMM-Modell ist, um den Entwicklungsstand der Prozesse zu bewerten, verdeutlicht die Neugestaltung des „Demand to Cash“-Bestellprozess des Unternehmens Michelin. Der Reifenhersteller reorganisierte seine Prozesse, um die Kundenorientierung zu stärken und die Kosten zu senken.

Testbestellungen zeigten, dass der neue Hochleistungsprozess die Bearbeitungszeit der Bestellung von vier Stunden auf 20 Minuten verkürzte. Vor der Implementierung wurde der PEMM Fragebogen eingesetzt. Die Ergebnisse der Befragung ergaben, dass das Personalverwaltungssystem die Prozesse im Unternehmen nicht unterstützt. Die Aufgaben der Manager und deren Tätigkeiten waren unzureichend definiert. Das Unternehmen verschob die Prozesseinführung. Eine Reihe von Workshops verdeutlichte die Rollenaufteilung unter den Managern. Die Aufgaben der Abteilungen wurden genauer bestimmt. Danach wurde der Prozess in vollem Umfang implementiert und erfolgreich angewendet.

Das „PEMM-Model“ ist ein Reifegradmodell zur Bewertung von Prozessen.

Das Modell besteht aus zwei Gruppen von Merkmalen, die erfolgreiche Geschäftsprozesse begünstigen. Die erste Gruppe bezieht sich auf einzelne Prozesse und enthält fünf Prozessdeterminanten, die darüber bestimmen, wie gut ein Prozess über einen längeren Zeitraum hinweg funktioniert. Die zweite Gruppe beinhaltet die vier Unternehmenskomponenten. „Die Stärke der vier Unternehmenskomponenten beeinflusst die Prozessdeterminanten und damit die Prozessergebnisse.“
Prozessdeterminanten:

Prozessdesign: Ist der Prozess umfassend beschrieben?
Mitarbeiter: Haben die Ausführenden die nötigen Fähigkeiten und Wissen?
Verantwortung: Gibt es in der Hierarchie hoch angesiedelte Manager, die Prozessverantwortlich sind?
Infrastruktur: Sind IT-& Managementsysteme auf Prozessanforderungen angepasst?
Kennzahlen: Verwendet das Unternehmen geeignete Kennzahlen?
Unternehmenskomponenten:

Leadership: Unterstützt das Topmanagement die Prozessorientierung?
Unternehmenskultur: Wie stark ausgeprägt sind Werte wie Kundenorientierung, Teamwork,
Verantwortungsbewusstsein und Bereitschaft für Veränderungen?
Erfahrung: Welche Erfahrungen sind zu den Prozessen im Unternehmen vorhanden?
Steuerung: Welche Systeme und Strukturen existieren im Unternehmen, die das
Management von komplexen Projekten und Veränderungen unterstützen?
Zusammengenommen sind die Prozessdeterminanten und Unternehmens-kompetenzen die entscheidenden Faktoren, um Prozesse wirkungsvoll zu planen, zu bewerten und zu verbessern.


1. Einsatzgebiet und Marktanteil

Das PEMM-Modell wurde 2004 durch das Phoenix Consortium überarbeitet. Die endgültige Version unter dem Namen „Process and Enterprise Maturity Model“ wurde 2006 beschlossen. Seither wurde das Modell in verschiedenen Unternehmen erfolgreich angewendet (z. B: Michelin, CSAA, Tetra PaK, Royal Dutch Shell, Clorox: Schneider National)

2. Prozessbetrachtung

Die Prozessdeterminanten und die Unternehmenskomponenten im PEMM-Modell sind jeweils in vier Entwicklungsstufen gegliedert (P1 bis P4).

Prozessdeterminante: Mitarbeiter Unterkategorie: Wissen


Grün markierte Felder zeigen Faktoren, die den Prozess nicht behindern, gelb markierte Zellen weisen auf Bereiche hin, in denen noch deutlicher Verbesserungsbedarf besteht und rote Zellen kennzeichnen Probleme, die einer höheren Prozessleistung im Wege stehen.
Die fünf Determinanten und vier Komponenten hängen wechselseitig voneinander ab. Fällt ein Faktor aus, verfehlen die anderen die Wirkung. Wenn eine der Prozessdeterminanten fehlt, können bestenfalls kurzfristig gute Ergebnisse erzielt werden. Langfristig sind auf diese Weise erzielte Ergebnisse jedoch nicht zu halten. Sind alle fünf Determinanten eines Prozesses auf Stufe P-1, befindet sich auch der Prozess auf diesem Niveau. Ist eine der Determinanten so schwach ausgeprägt, dass sie noch nicht einmal den Entwicklungsstand P-1 erreicht, landet der gesamte Prozess auf P-0. Das ist in der Regel der Fall, wenn sich Unternehmen noch nicht bemüht haben, Prozesse zu entwickeln.

Die Einschätzung der Stufen bzw. Reifegrade erfolgt durch den PEMM-Fragebogen der im Anhang zu finden ist. Die Zeilen enthalten die Determinanten, in den Spalten werden die Entwicklungsstufen angegeben.

3. Flexible Anpassung und Darstellungstiefe

Das PEMM-Modell hat eine hohe Darstellungstiefe für die Prozesse und umfasst sämtliche Begleitumstände, die ein erfolgreiches Prozessdesign begünstigen. „Das PEMM-Modell kann bei Unternehmen aller Branchen angewendet werden und schreibt nicht vor, wie ein bestimmter Prozess auszusehen hat.

4. Kosten und Einführungsaufwand

„Das PEMM-Modell ist einfach aufgebaut und anzuwenden, so dass keine Experten oder Berater nötig sind, sondern die Beschäftigten selbst die Beurteilung vornehmen können. Nach einer kurzen Einführung können selbst Mitarbeiter ohne Prozesserfahrung die beiden Tabellen erstellen und auswerten.“

5. Assessmentverfahren

Das Bewertungsverfahren für das PEMM-Modell umfasst eine minimale Schulungseinheit und das anschließende Ausfüllen der vorliegenden Tabellen. Für die Auswertung und das Erkennen der Stärken und Schwächen ist das Unternehmen selbst verantwortlich. Eine formale Bestätigung ist nicht vorhanden.

6. Vergleichbarkeit der Ergebnisse

Für eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse des PEMM-Fragebogens besteht noch keine Datengrundlage, da das Modell erst seit 2006 in Gebrauch ist. Das Modell entspricht einem Analysetool, welches die Schwachstellen in einer umfassenden Betrachtung der Prozesse offen legen soll. Es gibt keine methodische Unterstützung für die erhobenen Ergebnisse.

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